Christoph Wiedemann
Gabriel Glikman. Wanderer zwischen den Welten.

Kommentar zu den Arbeiten Glikmans von Christoph Wiedemann

 

Europa ist in den letzten Jahren seit Öffnung des Eisernen Vorhanges scheinbar größer geworden. Auf der Landkarte zumindest sind die alten, ehedem so undurchlässigen Grenzen durchlässiger geworden. Aber das bedeutet noch lange nicht, daß die Zeit der Trennung und Konfrontation keine Spuren hinterlassen hätte. Im Gegenteil. Durch die Öffnung werden die Umrisse der vordem so weit auseinander liegenden Welten erst jetzt so richtig greifbar.

Leben und Werk eines Künstlers wie Gabriel Glikman sind geprägt von diesen Verwerfungen der jüngerer. Geschichte. Viele seiner Arbeiten lassen sich dadurch erst richtig verstehen.

...

...

Die prägenden Jahre seiner Ausbildung verbrachte der Künstler gleichwohl in Leningrad (heute wieder: St. Petersburg). ... Das Studium war selbstverständlich, wie überall in der damaligen Sowjetunion, bestimmt von den Richtlinien des sozialistischen Realismus. Und es gab bis in jüngste Zeit wenig Möglichkeiten, sich von dieser offiziellen Kunst- und Staatsdoktrin zu separieren. Ein Weg, den viele - so auch Gabriel Glikman -gingen, läßt sich am ehesten mit dem Begriff "innerer Emigration" umschreiben. 1968 während der sogenannten Tauwetter-Periode unter Chrustschow hatte Glikman seine erste und letzte große Ausstellung im Leningrader "Haus der Komponisten". ...

Bis 1980, dem Zeitpunkt seiner Ausreise in den Westen arbeitete er zwangsweise im Untergrund. Es entstehen teils imaginäre, teils tatsächliche Porträts von Komponisten, Literaten, Philosophen. Es scheint fast als wollte Glikman mit diesen Arbeiten - zeichnend, malend, formend - eine zeitlose Versammlung seelenverwandter Geister beschwören.

Das Gesamtwerk des mittlerweile über achtzigjährigen Künstlers wirkt im Überblick wie ein Reflex auf die Ereignisse dieses Jahrhunderts. Glikman ist so etwas wie ein Wanderer zwischen den Welten, getrieben von der sogenannten "Suche nach Freiheit" und wie er selbst sagt, vom Verlangen, "einen Widerschein vom Wesen hinter den Dingen zu erfassen.

Juli 2000

 

Zurück
Zur Startseite